März

Vegane Mode: Nicht Trend, sondern Lebensphilosophie

von Olga Schleicher - 16 Mar, 2018

Vegane Mode: Nicht nur Trend, sondern Lebensphilosophie

Die Einstellung zu Veganismus und veganem Lebensstil in der modernen Gesellschaft erinnert an die Reaktion  auf neue technische Erfindungen vor 100-200 Jahren. Es hagelte Proteste, als das erste Automobil auf den Markt kam: Mein Großvater bewegte sich schon immer mit dem Pferd fort, mein Vater reitet, alle meine Verwandten reiten – warum sollte ich Auto fahren? Was aber erwartet die Menschheit und unseren Planeten in Zukunft, wenn wir der Skepsis nachgeben und unsere Lebensweise, unseren Konsum nicht überdenken?

Vegane Mode: ethischer Konsum und ethische Produktion

Vegan lebende Menschen tragen keine Kleidung und Accessoires, deren Produktion Tieren, Umwelt und Menschen Schaden zufügt. In die Liste der No-Gos für veganen Lebensstil gehören echter Pelz, Leder, Seide, Daunen und Perlen. Wenn man aber „Fake Fur“ und Kunstleder trägt, heißt das noch lange nicht, dass man sich vegan kleidet. Dazu gehört dann doch etwas mehr.
Zu allererst ist es wichtig, die Arbeit genauer zu betrachten, welche hinter jedem Kleidungsstück steckt. So werden in sogenannten „Sweatshops“ Billigklamotten – oder wenn man es netter formulieren möchte „Fast Fashion“ – unter Bedingungen produziert, die an Sklaverei erinnern. In der Regel befinden sich die Sweatshops in Asien und Afrika. Der Arbeitstag hier dauert 14-16 Stunden, es gibt keinen Brandschutz, die Gehälter liegen deutlich unter dem Existenzminimum und Kinderarbeit gehört zur Normalität.
Wenn Veganer also davon sprechen, es sei besser auf Klamotten made in China zu verzichten, dann meinen sie in erster Linie nicht die schlechte Qualität, sondern die Sklavenarbeit, die dahintersteht. Ein T-Shirt für sechs Euro, ein Kleid für 15 Euro – das kann einfach nicht ethisch sein. Aus dem ohnehin schon geringen Endpreis geht nur ein minimaler Bruchteil in die Produktion selbst. Bedenkt man soziale und ökologischer Aspekte und ganz normale, für uns selbstverständliche Bedürfnisse der Fabrikarbeiter, kann von Ethik keine Rede sein. Organisationen wie Fashion Revolution, die für nachhaltige Mode stehen, versuchen, Transparenz in die Modebranche zu bringen und das Bewusstsein für überlegten Konsum zu schärfen. Dies ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein des glänzenden Modegeschäfts.

Echtes Pelz und echtes Leder = echtes Leid

Ein weiterer Aspekt der veganen Mode ist die Ablehnung von Naturpelz und echtem Leder. Die Produktion von Kleidung und Accessoires ganz oder teilweise aus natürlichem Pelz ist das offensichtlichste Beispiel menschlicher Grausamkeit. Und gleichzeitig ist es das, worauf man ganz einfach verzichten kann. So hat zum Beispiel die Giorgio Armani-Group die Verwendung von Naturpelz vollständig aufgegeben. In einem Abkommen mit der Fur Free Alliance hat Armani sich verpflichtet, beginnend mit der Herbst-/Wintersaison 2016/2017, vollständig auf die Verwendung von Tierpelzen in all ihren Produkten zu verzichten. Es geht aber nicht nur drum, dass die Tiere brutal ermordet werden (oft werden sie bei lebendigem Leibe gehäutet), sie werden auch noch unter schrecklichen Bedingungen gehalten. Bei der Produktion von Leder und Pelz werden besonders gern Jungtiere getötet, da ihr Fell und ihre Haut extra weich sind. Das berühmteste Beispiel ist das Persianer-Pelz – das Fell des wenige Stunden bis zu einigen Tagen jungen Karakulschafs. Felle von zu früh geborenen Karakullämmern sind noch begehrter, so dass Einleitungen von Frühgeburten durch äußere Einwirkungen auf die Muttertiere in einigen Ländern Gang und Gäbe sind. Die Verwendung von echtem Leder in der Produktion wird oft durch die Tatsache gerechtfertigt, dass die Tierhaut ein Nebenprodukt der Fleischindustrie sei. Aber in vielen Fällen ist das nur teilweise wahr. Nimmt man zum Beispiel die Straußzucht, so machen 80% der Produktion das Leder aus, Fleisch ist da eher ein Nebenprodukt.

Seide, Daunen und Perlen – schön hässlich


Bei Seide verstehen womöglich die wenigsten, warum ihre Verwendung nicht vegan ist. Schließlich handelt es sich bei Seidenspinnern um irgendwelche Insekten, nicht um flauschige Kaninchen und niedliche Lämmer. Fakt ist aber, dass Seidenraupen bei der Sammlung von Seidenfäden ums Leben kommen. Der Kokon der Seidenraupe ist der eigentliche Seidenfaden, nur im aufgewickelten Zustand. Um an die feine Faser zu gelangen, werden die Seidenraupen in ihrem Kokon in kochendes Wasser geworfen und sterben dort qualvoll. Um 450 Gramm Seide zu produzieren, werden ganze 2.600 Seidenraupen getötet. Ähnlich verhält es sich bei Daunen. Fälschlicherweise wird angenommen, dass die weichen Flaumfedern wie in guten alten Tagen aus den Nestern von Enten und Gänsen eingesammelt werden. Tatsächlich werden die Vögel in der Daunenindustrie oft bei lebendigem Leib gerupft, was den Tieren schlimme Qualen bereitet. Wenn neuer Flaum wächst, muss der Vogel dieses schmerzhafte Verfahren wiederholen. Diese Folter kann mehrere Jahre dauern. Wie im Fall von Seide und Daunen ist auch bei der Zucht von Perlen auf den ersten Blick nicht klar, was daran nicht vegan sein kann. Die Erklärung ist einfach: Da Perlen und Perlmutt im Grunde genommen eine Abwehrreaktion der Muscheln darstellen, werden in die Zuchtmuscheln Fremdkörper oder Parasiten eingepflanzt, damit diese sich mit Schutzschichten bedecken. Diese wachsen mit der Zeit zu Perlen heran. Viele Muscheln sterben während der Zuchtphase oder bei der Entnahme von Perlmutt und Perlen. Und was ist mit Baumwolle? Vegan oder nicht vegan? Der Anbau von Baumwolle nimmt nur 2,4% der gesamten landwirtschaftlichen Fläche der Erde ein, erfordert aber 24% aller weltweit produzierten Pestizide und mehr als 2/3 der Trinkwasserreserven unseres Planeten (das sind mehr als 5.000 Liter Wasser pro Kilogramm Baumwolle). Die Felder werden bis zu 30 Mal pro Produktionszyklus bearbeitet, unter anderem mit Pestiziden, chemischen Düngemitteln und giftigen Herbiziden. Aber nicht nur die Pestizide verschmutzen Umwelt und schaden den Feldarbeitern, auch Farbstoffe, mit denen das Gewebe gefärbt wird, verpesten die Umwelt - und sie verursachen Krebs. Vegane Baumwolle? Jedenfalls nicht so. Zum Glück gibt es neue wasserfreie Färbemethoden, wodurch der Schaden für die Umwelt und die Gesundheit der Fabrikarbeiter enorm reduziert werden kann. Fair-Trade-Fabriken benutzen zum Färben das gleiche Wasser mehrmals.

 

Vegane Mode: Was und wie tragen?


Die Wahl, eine komplett vegane Lebensweise zu führen, ist keine einfache. Trotzdem wird Veganismus und damit auch vegane Mode zu einem immer größeren Thema. Zum einen liegt es daran, dass wir allgemein bewusster leben wollen und uns um die Zukunft und das Leben auf unserem Planeten sorgen. Zum anderen leisten Organisationen wie PETA und Co einen enormen Beitrag zur Aufklärung. Sie zeigen auf, was gewaltig schief läuft auf dieser Welt. Es wird immer deutlicher: Die Zukunft liegt im bewussten Konsum und in ethischer Produktion. Auch hat sich die Mode in den vergangenen Jahren extrem gewandelt. Nachhaltig und fair produzierte, vegane Mode hat ihr angeranztes Image längst abgelegt. Tatsächlich gibt es mehr schöne, ökologische, vegane Stoffe und innovative Fasern, als man meinen könnte. Umweltfreundliche Baumwolle, vegane Seide, weiche atmende Stoffe aus Bambus, Hanf und Eukalyptus, robuste Materialien aus Kork oder recycelten Plastikflaschen – dies sind keineswegs alle umweltfreundlichen Materialien, die wir auf dem Markt haben, aber eben diese werden am meisten in der Modeindustrie verwendet. Viele junge Designer sind auf die grüne Seite umgestiegen und bieten ihren Kunden eine große Auswahl an stilvoller, schöner und ethischer Kleidung für jeden Geschmack. Das Angebot an Organic Fashion reicht mittlerweile von angesagter Streetwear über verführerische Unterwäsche bis hin zu stylischer Business-Mode. Es sollte also kein Problem sein, auch modetechnisch vegan zu leben. Nehmen wir ein durchschnittliches Business-Outfit für Herren. Wir benötigen ein weißes Hemd aus fair gehandelter Bio-Baumwolle (um 70 €), eine Chino-Hose aus Bio-Baumwollmix (um 100 €), einen Sakko mit Lyocell-Anteil, einer Faser, die aus Holz gewonnen wird, (um 160 €) und einen eleganten Halbschuh mit Oxford-Schnürung aus atmungsaktiver Mikrofaser (um 200 €) – fertig ist das Gesamtoutfit. Und damit das Ganze einen edleren Touch erhält, können Manschettenknöpfen aus Kork (um 15 €) und Krawattennadeln aus recyceltem Sterlingsilber (um 20 €) dazukommen.
Zugegeben: Preislich gesehen bewegt man sich hier auf einem etwas anderen Level. Aber im Endeffekt ist es eine Entscheidungssache: Will ich viel und billig, dafür Minuspunkte in mein Karma, ganz im Sinne von „Nach mir die Sintflut“? Oder ist weniger doch mehr, dafür aber qualitativ hochwertig und vereinbar mit einem guten Gewissen? Im Übrigen bedeutet sich vegan zu kleiden auch das Shoppen in Second-Hand-Läden.

Wir sind alle keine Heiligen. Seien wir ehrlich: Es ist unrealistisch, zu 100% vegan leben zu wollen und durch und durch ethisch zu konsumieren. Aber man kann danach streben. Recherchieren, nachforschen, verantwortungsbewusst gegenüber der Welt sein, in der wir leben. Die Bedeutung von veganem Leben und veganer Mode ist, so bewusst zu leben, wie man es sich leisten kann.