November

Mad for Fashion

von Torsten Grom - 11 Nov, 2015

Mad Men und die Mode

Retro-Flair liegt in der Luft. Die visuelle Sprache der TV-Serie Mad Men lebt von den Glamour-Kostümen der Frauen und der  charismatischen Herren-Mode der 60er Jahre. Das packende Flair der Retro-Mode hat vom Fernsehschirm aus zahlreiche Designer ergriffen und zu einer Zeitreise in die 60er inspiriert. So hat die Mode für den Herren damals ausgesehen und so wird sie dank den Mad Men heute neu aufgelegt.


The Mad Men Suit - be as Dapper as Draper - Dress Like the Mad Men: the Fashion of Don Draper

 

Visueller Augenschmaus bei den Mad Men

Das New York der 60er Jahre. Rauch, Glamour und Umbruchdenken. Der kettenrauchende Frauenheld Don Draper ist der zentrale Punkt der Werbeagentur Sterling Cooper und bildet den Mittelpunkt der US-amerikanischen Erfolgsserie Mad Men. Mad bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht etwa auf einen Geisteszustand. Bei dem Ausdruck handelt es sich viel mehr um eine Abkürzung für die kreativen Köpfe der New Yorker Madison Avenue. Die Serie erzählt in mehreren Staffeln von prominenten Kunden, außerehelichen Affären und verbissenen Konkurrenzkämpfen im gesellschaftlichen Kontext der 60er Jahre. Die politischen Umstände berücksichtigt Weiners Serienidee ebenso wie den wirtschaftlichen Aufschwung, das Fortschrittsdenken und die gesellschaftlichen Hierarchien. Auch der Lebensstil und die Ästhetik der Ära werden detailverliebt widergegeben. So vor allem durch die Kostüme als Reflexion des Lebensstils. Enge Taillen und Tellerröcke für die Frauen. Schmale Krawatten, Einstecktücher, Smokings und Manschettenknöpfe für die Männer. Mad Men ist ein Augenschmaus, der zur Zeitreise einlädt. Die Kostüme übernehmen teilweise erzählerische Funktion: sie unterstützen die verschiedenen Charakterzüge der Protagonisten und verleihen dem Zeitgeist der 60er Ausdruck. Kostüm-Designerin Janie Bryant hat mit ihren Kombinationen in der Vergangenheit bereits Awards gewonnen. An die 200 Kostüme entwerfen sie und ihr Team für jede Folge der Serie. Jeder Protagonist erhält ein für ihn charakteristisches Mode-Detail im Zeitgeist. Dementsprechend groß ist Mad Mens Einfluss auf die moderne Modeindustrie. Zahlreiche Designer haben den Stil der 50er und 60er in der jüngsten Vergangenheit in ihre Kollektionen aufgenommen und damit einer lange zurückgelegenen Zeit neues Leben eingehaucht.

Eleganz und Extravaganz in der Männermode der 60er Jahre

Mad Men StyleDie 60er Jahre waren ein bedeutendes Jahrzehnt für die Modewelt. Die Weichen stellen sich damals auf Umbruch und Gegensätzlichkeit ein. Die Alltagsmode rückt in den Mittelpunkt der Designeraugen. Yves Saint Laurent entwirft erste Prêt-à-porter Kollektionen. Die Engländerin Twiggy wird zum ersten Supermodel der Welt. Sie verleiht dem Stil einer gesamten Generation Ausdruck und macht den Transparentlook tragbar. Mary Quant erfindet in den 60ern den Minirock, als sie mit preisgünstigen Stoffen und gewagten Schnittvorgaben experimentiert. Das Minikleid folgt dem Rock nach. Minikleider in Feinstoffen prägen die Abendrobe. Die Feinstrumpfhosen erhalten Stickereien und Spitzenelemente. Ungezähmte Jugendlichkeit setzt sich durch. So auch in der Mode für den Herren: die Herrenkleidung ist damals von einer Gratwanderung zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit geprägt. Die Formen der Männermode werden weicher. Schmale Anzüge setzen sich durch. Muster wandern auf die Männerkleidung. Karos, Streifen und Fischgrätenmuster setzen sich durch. Die harten Kriegsjahre geraten während der 60er langsam in Vergessenheit und lassen die Frauen mit breiten Petticoats und auch engen Bleistiftröcken wieder mehr Weiblichkeit zeigen. Grand Dame Mode entwickelt sich als neuer Lebensstil. Christian Dior entwirft mit wadenlangen Röcken und engen Blusen den hüft- und brustbetonten New Look. Miedern kommen wieder in Mode. Auch stark taillierte und elegante Cocktailkleider halten Einzug in die Kleiderschränke. Die 60er Jahre Mode steht sowohl für ihn, als auch sie unter dem Stern der Eleganz. Neue Materialien wie Kunstseide setzen sich durch. Bunte und glänzende Stoffe verbreiten Glamour-Flair. Die Herren tragen erstmals Nylon- und Perlonhemden. Männer aus der Oberschicht tragen zum Anzug oder Mantel elegante Hüte. Zum ersten Mal ist der Zeitgeist von einem zunehmenden Modebewusstsein in der männlichen Gesellschaft geprägt. Dreiteiler in dezenten Farben werden mit stark gemusterten oder bunten Krawatten aufgepeppt. Extravaganz ist als Einfluss vor allem in der New Yorker High Society spürbar. Die tailliert gearbeiteten Einreiher mit auffälligem Rückenschlitz dürfen neben dem Standardgrau erstmals auch in rötlichen Brauntönen erstrahlen. Manschettenknöpfe aus Perlmutt oder anderen Edelmaterialien gehören zum stilechten Outfit dazu. Inlays und typische Muster prägen die Knöpfe der High Society. Neben charismatischer Eleganz setzen sich Coolness und Lässigkeit als zentrale Themen der Männermode durch. Stil-Ikonen wie James Dean und Elvis prägen einen neuen Lebensstil. Manschettenknöpfe im Rockabilly-Stil setzen sich als neue Details durch. Die 60er Jahre Mode ist ein weit gefächerter Pool aus Trends, Eleganz und Extravaganz, der von den Mad-Men-Protagonisten voll ausgeschöpft wird.

Was ihre modischen Details über die Mad Men verraten

Auf den ersten Blick sehen die männlichen Protagonisten von Mad Men relativ gleich aus. Wie es sich für eine gehobene Werbeagentur dieser Zeit gehört, tragen sie alle relativ schlichte Anzüge und scheinen im seriösen Einheitslook daher zu kommen. Auf den zweiten Blick erzählen ihre Kostüme detailliert etwas über ihre Person und ihre Hintergründe. Die Details machen es aus:

    • Don Draper tritt als zentrale Figur der Serie in Erscheinung. Er unterscheidet sich von den weiteren Figuren vorwiegend durch seine Accessoires. Seine dezenten Anzüge sind bewusst schlicht gehalten und geben seinem Charisma genügend Entfaltungsraum. Seine Eleganz und Seriosität wird von den Stoffen und zurückhaltenden Farben betont. Im Anzug trägt er charakteristisch für seine hohe Stellung ein quadratisches Einstecktuch. Sein Wohlstand wird durch seine auffällig eleganten Manschettenknöpfe versinnbildlicht.

 

    • Roger Sterlings Figur lebt von ihrem Partnerstatus. Diese Partnerrolle gibt ihm eine höchst anerkannte und höhergestellte Gesellschaftsrolle. Wie es in den 60ern durch die gesellschaftliche Schichtenbildung üblich war, repräsentiert sein Kostüm sein hohes Ansehen. Er trägt den typischen Dreiteiler der 60er Jahre. Vor allem die Weste aus hochwertigen Materialien repräsentiert die hohe Qualität seiner Arbeit und Person. Die anderen Mitarbeiter der Agentur tragen Zweiteiler. Ihnen fehlt zu Sterling also schlichtweg eine Schicht. Anderswo Angestellte tragen in Mad Men sogar Einteiler und sind Sterling damit im wahrsten Sinne des Wortes sogar um "zwei Schichten" unterlegen. Seine abgerundeten und stark betonten Hemdkrägen symbolisieren seine Macht und seinen gesellschaftlichen Rückhalt. Auch die charakteristische Kragennadel zeugt von Sterlings Status.

 

    • Bertram Cooper ist der Seniorpartner der Werbeagentur. Dass seine Ansichten etwas überholt sind und seine Zeit eigentlich am Abklingen ist, lässt seine Kleidung auf den ersten Blick erkennen. Das Muster seiner Anzüge erinnert an den Stil der 30er Jahre. Statt einer schmalen Krawatte trägt er die überholte Fliege und statt großen Karos tragen seine Hemden kleinkarierte Muster. An seinen vergangenen Ruhm und seine reife Stellung erinnert ein burgundfarbenes Einstecktuch in seinen Anzügen. Mit der Mode bewegt sich dieser Mann nicht mehr, aber das muss er auch gar nicht. Er hat längst bewiesen, dass seine Ideen erfolgreich sein können. Für die neuen Entwicklungen interessiert er sich daher wenig.
    • Harry Cranes Kleidung ist die wohl auffälligste Herrenkleidung der Serie. Retro-Brillen, Pfeifen und gemusterte Westen gehören zu den extravaganten Stil-Genie. Als Kopf des Television Departments sieht man Harry seine Beziehungen zum aufstrebenden Hollywood mit bloßem Auge an. Neue Ideen und Wagnisse sind seine Stärke. Vor Aufmerksamkeit hat er keine Angst. Ein Mittelpunktmensch, wie er im Buche steht.
    • Als kreativer Kopf und wagniskonformer Art Director tritt Salvatore Romano in Erscheinung. Sein Mut zu Farben wie Scharlachrot zeugt von seinem kreativen Mut und seiner Andersartigkeit. Auch seine Zweireiher sind ein charakteristisches Merkmal der Extraklasse. Seine homosexuelle Orientierung und die Problematik dieses privaten Details wird von seiner Kleidung ebenso versinnbildlicht, wie seine kreative Ader.

 

  • Abgesehen von dem Outfit Romanos und Cranes zeugt auch Pete Campbells Kostüm von Farbe. Der aufstrebende Privatschüler trägt meist hellblaue Anzügen aus lässigen Leinen. Seine einfachen Schnitte erinnern an Draper, zu dem der Akademiker aufsieht. Das akademische Flair seines Outfits ist genauso unstrittig, wie seine bislang noch untere Stellung oder die anfängliche Unverdorbenheit durch das Business. Beides wird schon durch die Leinenstoffe seiner Anzüge versinnbildlicht.


Heutzutage wie Romano, Campbell, Crane, Cooper oder Sterling auf die Straße zu gehen, lässt Mann unter Umständen aussehen wie einen PC im Mittelalter. Drapers Outfit ist wahrscheinlich noch am leichtesten mit dem 21. Jahrhundert vereinbar. Umso interessanter ist die Frage, wie moderne Designer den Mad-Men-Look in ihre Kollektionen integriert haben.

Aussehen wie die Mad Men - Einfluss auf die moderne Modeindustrie

Alle Mad Men wissen, wie ein stilsicherer Anzug für den perfekten Sitz geschnitten sein muss. Sogar Designer wie Prada und Luis Vuitton orientieren sich daher an der Serie. Schmale Seidenkrawatten und gestärkte Hemden haben auch dank Mad Men wieder einen Aufschwung erhalten. Manschettenknöpfe sind auch dank Don Draper wieder im Kommen - so vor allem in Form von legeren Cufflinks, die Tradition mit Moderne vereinen. Auch Lackschuhe, Einstecktücher und Krawattennadeln sind seit 2010 wieder über die Laufstege der Welt getragen worden. Auch Designer wie Miuccia Prada haben die Sixties dank Mad Men zurück auf die Laufstege erhoben. Banana Republic brachte sogar eine ganze Mad-Men-Kollektion in limitierter Auflage heraus. Salonfähig wirken die modernen Retro-Stücke im Stilbewusstsein von Draper und Co. durch die zeitgemäßen Stoffe und auflockernde Details. Genau so wie die Protagonisten der Serie möchte Mann heute vielleicht nicht mehr das Haus verlassen. Mit den Neuauflagen der Sixties-Mode, wie sie die Designer in den vergangenen Jahren aber auf den Markt gebracht haben, wirkt Mann nicht etwa wie aus einer anderen Zeit, sondern zeitlos elegant. Dass diese Qualität gerade bei Frauen gut ankommt, beweist schon das weibliche Millionenpublikum von Mad Men. Der große Einfluss der Serie auf die Modeindustrie versteht sich daher wie von selbst. Zeitlose Eleganz wird nämlich niemals aus der Mode geraten.